Jetzt geht es um mein Herzensanliegen, denn diese Feststellung, durch jahrelange Begleitung von Praxen, hat dazu geführt, dass ich meine Gründer nachhaltig und langfristig begleite.
Solltest Du grade überlegen, dich als Zahnarzt selbstständig zu machen, möchte ich dir vorweg 2 kurze Hinweise geben:
- Es ist, auf Grund günstiger Finanzierungen und einem aktuell großen Praxismarkt, eine gute Zeit für die eigene Praxis.
- Für die Meisten liegt der Fokus der Praxisgründung auf den vielen Planungsthemen, doch es ist auch wichtig, sich mit den Risiken einer Existenzgründung auseinanderzusetzen und diesen frühzeitig vorzubeugen.
Der fehlende Blick auf die Risiken zeigt sich oft erst Jahre später, wenn trotz vieler Arbeit die Ergebnisse nicht passen und existenzgefährdende Krisen eintreten.
Der Druck der Zahlen
Immer wieder sind mir in meiner Arbeit Zahnärzte begegnet, die durch den Druck der Zahlen, die Freude für und mit Menschen zu arbeiten, nicht mehr fühlen konnten. Ich denke da z.B. an einen sehr kompetenten Zahnarzt, den ich begleite. Er geht langsam auf die Fünfzig zu und hat seinen Schwerpunkt im Bereich CMD. Als wir uns kennenlernten, war er frustriert und fragte sich: „Warum mache ich das alles noch? Wäre es nicht schöner, LKW-Fahrer zu sein?“ Ich fragte nach: Zum einen war seine Umsetzungsquote schlecht, wodurch er seine Honorarziele nicht erreichte, und zum anderen diskutierte er ständig mit seiner Frau, ebenfalls Zahnärztin in der Praxis, über die Zahlen. Im Gespräch zeigte sich ein klarer Wertekonflikt zwischen „Ich will Zahnarzt sein und Menschen helfen“ und „Ich muss Geld verdienen“. Das sind Momente, die mich ins Nachdenken gebracht haben.
Wenden wir den Blick einmal genau diesen Praxen zu. Den Praxen, bei denen sich der gewünschte wirtschaftliche Erfolg – dieser hat nicht immer nur etwas mit der Gewinngröße zu tun – auch nach Jahren nicht eingestellt hat.
Durch die Beratung und Begleitung von Zahnarztpraxen im Bereich 50+ hatte und habe ich immer wieder mit Zahnärzten zu tun, die in einem finanziellen Dilemma stecken.
Dieses lässt sich an drei finanziellen Indikatoren festmachen:
- Die Praxen sind nicht entschuldet,
- es sind keine Rücklagen vorhanden und
- bei der Rente wird es eng.
Dieses Phänomen ist kein Einzelfall. Meine Beobachtungen und Erfahrungen spiegeln sich auch im KZBV-Jahrbuch 2017 wieder:
In der Altersklasse von 60+ liegen die Zinskosten bei 1,1% von den Gesamtausgaben über 283.000 €, sprich bei rd. 3.100 €. Bei einem angenommenen durchschnittlichen Zinssatz von 3% liegt die durchschnittliche Verschuldung bei Praxen in der Altersklasse von 60+ bei rd. 100.000 € (!).
100.000 € durchschnittliche Verschuldung, das ist eine erschreckend hohe Zahl. Wenn wir davon ausgehen, dass nur 50% der Praxen schuldenfrei sind, dann stellt sich die Frage:
Wie kommt es, dass die anderen Praxen noch verschuldet sind?
Wie konnte es dazu kommen?
Wo wurden die Fehler gemacht?
Weshalb wurde nicht früher gegengesteuert?
Wie wurden die Zahnärzte beraten?
Meine Erkenntnisse
Der Samen wurde am Anfang gelegt!
Am Anfang wurden die größten Fehler gemacht. Dabei, und das ist das Wesentliche, war es ist nicht die Gründung der Zahnarztpraxis an sich. Ja, es ist wichtig zu Beginn eine gute passende Praxis zu finden. Und wer hier falsch entscheidet, hat es deutlich schwerer. Aber entscheidend war nicht der Kauf alleine, sondern was daraus gemacht wurde.
Meine Recherchen zeigen: 75% der existenziellen Krisen haben ihren Ursprung in den ersten drei Jahren NACH der Gründung, nicht in der Gründungsphase. Diese Erkenntnis ist mir so wichtig, dass ich diesem Thema in meinem Buch „Der Weg zur eigenen Zahnarztpraxis“ besonders viel Raum gegeben habe.
Die 4 zentralen Fehler
Letztendlich zeigten sich vier zentrale Fehler, die in der Zeit nach der Gründung die größten Herausforderungen für Praxisgründer mit sich brachten:
Falscher Umgang mit Geld
Der größte Fehler beginnt beim Geld. Als Existenzgründer hat man die einmalige Chance die Basis für eine finanzielle Unabhängigkeit aufzubauen. Am Anfang in den ersten fünf bis sieben Jahren ist auch meist genügend Geld da. Aber dann geht’s abwärts. Die Gründe dafür sind vielschichtig.
Zu Beginn werden jedoch drei zentrale Fehler, gemacht:
- Die Praxen werden in den Kontokorrent gegründet, spricht das laufende Konto ist von Beginn an im Minus. Damit bauen wir uns eine Schuldenkultur auf, die unnötig ist. Das Minus auf dem laufenden Konto führt dazu, dass wir irgendwann glauben, das ist normal. Aber es ist nicht normal.
- Wenn Geld da ist, wird es ausgegeben – meist für privaten Konsum. Die monatlichen fixen Ausgaben steigen systematisch an und es fehlt Punkt 3.
- Es gibt kein langfristig tragfähiges Rücklagenkonzept. Die meisten Praxen kommen schon in Schieflage, wenn ein oder zwei Monatsumsätze fehlen würden. Das Ergebnis: Die Zahnärzte werden dauerhaft abhängig von Ihrer Bank und müssen für Folgeinvestitionen immer wieder neue Finanzierungen aufsetzen. Genau das führt zu einer dauerhaften Abwärts-Spirale. Was eine Praxis hier braucht ist, was ich gerne die finanzielle Reichweite nenne. Ein Unternehmen, egal welcher Couleur, sollte in der Lage sein mehrere Monate seine fixen Kosten abzudecken, damit es für Krisenzeiten gewappnet ist.
Mangelnde Patientenbindung und Patientenüberforderung
Das wichtigste für Zahnärzte sind und bleiben: Patienten.
Viele Existenzgründer haben hohe ethische Ansprüche an ihre Zahnmedizin entwickelt. Viele haben bei Seminaren gelernt, wie wichtig es ist, Zuzahlung zu nehmen, sich hochpreisig zu Positionieren und Leistungen zu „Verkaufen“. In der Praxis zeigt sich hier oft eine Überforderung der Patienten. Das Ergebnis, gerade zu Beginn verlieren viele Existenzgründer einfach zu viele Patienten.
Zu wenig Investition in Team und Mitarbeiter
Bei Mitarbeiter und Team stehen die Zahnarztpraxen vor großen Herausforderungen.
Während vor 15 Jahren einer Anzeige 20 Bewerbungen für eine Stuhlassistenz folgten, sind heute viele Praxen froh, wenn zwei bis drei Bewerbungen in die Praxis „flattern“. Die Branche steht vor einem Fachkräftemangel, der seine richtige Wirkung erst noch zeigen wird. Die richtigen Mitarbeiter entwickeln und binden wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Als Gründungsinvestition werden meist jedoch nur Praxiseinrichtung und Praxisausstattung berücksichtigt. Investition in Mitarbeiterentwicklung und Teambuilding stehen hinten an und werden bei der Gründung oft nicht einkalkuliert. Dabei ist, besonders bei einer Praxisübernahme als Zahnarzt, der harmonische Übergang des Teams eine große Herausforderung.
Einen kleinen Hinweis zum Schluss:
Finanzberater empfehlen oft, früh mit der Altersvorsorge zu beginnen oder den Kauf einer selbstgenutzten Immobilie. Dies macht jedoch erst Sinn, wenn die Praxis auf einem festen, finanziellen Fundament steht.